Reform der reformierten Reform der Dudenreform

Wussten Sie, dass Konrad Dudens Geburtsname Conrad lautete? Dies machte mich vor Jahren misstrauisch, weil der bekannte Deutsche Rechtschreibreformer das lateinische Erbe der Deutschen Sprache verhunzt zu haben schien. Wer also war Duden? War er einer von den Vornazionalsozialisten gewesen, welche später die Nazipartei formierten? War Duden Völkischer, ein alldeutscher Schwärmer, der das "Welsche" im Deutschen auszurotten trachtete, indem er französische und lateinische Lehnwörter eindeutschte? Änderte er die Schreibung seines Vornamens von C zu K als ein Neoteutone—noch immer im Krieg mit den alten Römern? Ich brannte darauf, die Wahrheit herauszufinden und so studierte ich die Quellen.

Tatsache ist, dass lateinische Fremdwörter welche im modernen Duden mit k geschrieben werden, ursprünglich ein c statt dessen enthielten. An diesem Punkt scheint Deutschland sich von der westlichen Welt abgespalten zu haben. Doch, war dies Konrad Dudens Schuld? Zugegebenermaßen konnte ich ihn anfangs nicht leiden, doch nach dem Quellenstudium zollte ich ihm Respekt und Sympathie. Nicht, dass ich all seine Ansichten hinsichtlich der Notwendigkeit einer Sprachreform teilte. Er war jedoch keinesfalls der Radikale für den ich ihn gehalten hatte. Im Gegenteil, war seine Argumentation recht ausgewogen, wenn er die Inkonsequenz in der Rechtschreibung seiner Zeit in den 1870er Jahren hinterfragte: Warum "Vokal" einerseits, doch "Consonant" andererseits? Sein Vorschlag war nicht, französische und lateinische Lehnwörter unbedingt zur k-Schreibung zu ändern. Was er forderte, war konsequent entweder c oder k festzuschreiben. Letztendlich zog er das k dann doch vor, worin meine Meinung von der seinigen abweicht. Deutschland war auf dem Egotrip, als es auf zwei Weltkriege zusteuerte—und so war es auch mit der seinerzeitigen deutschen Rechtschreibreform. Zur Hölle mit dem lateinischen und französischen Erbe, das man mit europäischen Brudervölkern teilte—"Deutschland, Deutschland über alles!" Konrad Duden verhinderte dies nicht, doch das letzte was er tat, war den Nationalismus der vornationalsozialistischen Dekaden orthographisch zu betreiben. Im Gegenteil, war er ein recht bescheidener Geist und alles andere als ein großmäuliger Radikalinski. In meinen Ohren klang er absolut so, als hätte er das romanische Erbe und dessen Ursprungsländer respektiert. Und was später der offizielle "Duden" genannt wurde, war nicht notwendigerweise alles Konrad Dudens Werk. Er war der Gemäßigte, der mit den radikalen Reformisten seiner Zeit Kompromisse schließen musste und das Ergebnis war der offizielle Duden.


In der Zwischenzeit hat man dieses Reformwerk mehrfach reformiert. Und wann immer die Deutsche Regierung sich daran macht, die Reform der Reform zu reformieren, regt sich Protest, als wäre der Duden die Essenz deutscher Sprachtradition seit Jahrhunderten. Tatsächlich hat das Deutsch der Vordudenzeit weitaus mehr Sinn enthalten. Verallgemeinernd, tendiere ich dazu, von der Epoche vor 1850 zu sprechen, da Schreibgewohnheiten sich lange vor der Dudenschen Reform zu ändern begonnen hatten. Viele hatten bereits die k-Schreibung vorgezogen, obwohl das c über Jahrhunderte Standard gewesen war. Es war eine Art linguistischer Bildersturm einer beginnenden deutschen Nation, deren Volk seit dem Mittelalter ständig von französischen Invasionen bedroht gewesen war. Nachdem Sonnenkönig und schließlich Napoleon zurückgeschlagen waren (zusammen mit den englischen und holländischen Allierten!), scheinen die Deutschen beschlossen zu haben, selbst schwierig, ungezogen und destruktiv zu werden. Vor der Zerstörung der Weltkriege, begannen sie ihre eigene Sprache zu zerstören.


Der abwegige Grundgedanke hinter der ersten Dudenreform, um 1900, bestand in dem Exzess ihrer Konsequenz an sich. Im Englischen gibt es diesen Grad an Konsequentheit nicht, sondern eine Menge an Variationen. Variation ist mindestens so wichtig wie Konsequentheit. Ein zu viel an Konsequentheit ist nichts als pathologische Zwangsvorstellung. Doch selbst die moderne deutsche Rechtschreibung ist keineswegs Konsequent—sie ist ruiniert, das ist alles. Obwohl Leute meist dahin tendieren, jenes als gottgegeben anzusehen, was sie dereinst in der Schule gelernt haben, wird mancher Deutsche begreifen, dass es keine gute Idee gewesen war, Lehnwörter mittels Entstellung als solche unkenntlich zu machen. Es mag sein, dass Schulanfänger damit glücklich sind, solange sie keine Fremdsprachen lernen. Sobald es aber mit Englisch, Französisch und Latein weiter geht, wird der Bruch offenbar und es wird nur schwieriger. Sich über die Reform meiner Schulschreibung aufzuregen ist reiner Egoismus. Wer die deutsche Sprachgeschichte kennt und ehrlich agumentiert, wird den Duden generell hinterfragen—so wie er um 1900 offiziell wurde. Der schlechte Schüler um 1750 buchstabierte "marchieren" anstatt korrekt "marchiren", nur weil "manieren" ja auch mit ie zu schreiben sei. "Manier" ist in der Tat das korrekte französische Lehnwort, "-iren" dagegen die eingedeutschte Form der alten französischen Endung "-ir". Korrekt war also damals "marchiren" und "Manieren". Heute ist diese Grammatiklektion in der deutschen Sprache verflacht—ie derartig konsequent zu verwenden, wie aus dem modernen deutschen "marschieren" hervorgeht, war alles andere als intelligent. Man sollte auf den ersten Blick erkennen können, dass diese Sprachform von einer französischen Endung her stammt. Diese Dinge sollten stets eindeutig bleiden, weil wir den weiteren Sinn europäischer Sprachen ingesamt berücksichtigen müssen. Was statt dessen geschah, war bloße Simplifizierung. Man findet dererlei Tendenzen in so ziehmlich allen Sprachen, doch deutsche Rechtschreibreformer betrieben diese Perversion bis zum Exzess. Dies hatte durchaus unangenehme Konsequenzen.....


Vielleicht haben Sie einmal gehört, dass Deutsch nicht wirklich ideal zu singen ist. Der berühmte Caruso sang italienisch, französisch, spanisch, englisch, russisch und vermutlich noch mehr Sprachen, doch weigerte sich deutsch zu singen, weil er um seine Stimmgesundheit fürchtete. Lange vor der Zeit Carusos war die deutsche Sprache variantenreicher gewesen, wozu auch Möglichkeiten zählten Vokale zu involvieren oder wegzulassen. Man hatte die Freiheit entweder "kommt alle" oder "kommet all(e)" zu sagen. Oder wie wäre dieses: "Die Bauren tanzeten"—in modernem Deutsch: "Die Bauern tanzten." Versuchen Sie mal so eine Anhäufung von Konsonanten zu singen: "Die-Baue-rnta-nzte-n." In dieser Weise gehen geschulte Opernsänger nämlich vor und kommen über die Klippen der Konsonantencluster. Die erdrückende Last an Konsonanten wird zusammen gefasst, um sie möglichst schnell über die Zunge zu bringen, damit die wenigen Vokale einigermaßen ungehindert klingen können. Es funktioniert, wird aber niemals befriedigend sein, bis dass die Deutschen zurück zu ihren Wurzeln orthographischen Variantenreichtums gehen.

Demoiselle Amelise

2 comments:

Anonymous said...

Die erdrückende Last an Konsonanten - stimmt, auch als Vorleser trägt man an dieser Last schwer, wenn man den Ehrgeiz hat, Form und Inhalt zu einer berührenden Einheit verschmelzen zu lassen.

Interessanter Artikel und... ein gesundes neues Jahr für Dich

C. Smith said...

Vielen Dank, ebenfalls ein gesundes 2015 und viele erfolgreiche Rezitationen!

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